Im November stand mit meiner ersten Internationalen Sechstagesfahrt das absolute Highlight meiner Motorsport Karriere an und das sollte ein richtiges Abenteuer werden…
ABENTEUERLICH – Anreise mit Hindernissen
Mir war klar, dass die Six Days in Argentinien ein großes Abenteuer werden, doch das dieses schon bereits bei der Anreise beginnt, das hätte ich nicht gedacht. Wochenlang hatte ich gebangt, dass der Container des „Vereins für Enduro Sport“, der ja bereits Ende August auf Reisen gegangen war, wohlbehalten und pünktlich am anderen Ende der Welt ankommt. Der Container war da, aber das am Ende das komplette deutsche Team viel zu spät in Argentinien landete, dass hatte ich nicht auf dem Plan gehabt.
Gebucht war der Hinflug (nach mehrmaligen Flugzeiten Änderungen) für den 29.10. ab Frankfurt
über Sao Paulo/ Brasilien, mit Ankunft am 30.10.2023 in Mendoza/Argentinien. Von Mendoza sollte
es mit dort angemieteten Leihwagen die 160 km nach San Juan gehen, so der Plan.
Doch leider wurde unser Hinflug von Frankfurt nach Sao Paulo 2 Std vor Abflug ersatzlos gestrichen. Die Maschine der LATAM Airline von Sao Paulo kommend musste wegen eines medizinischen Notfalls nach Sao Paulo umdrehen! Somit wurde unsere gesamte Reisegruppe im Raddisson Blu/ Frankfurt am Main einquartiert.
Einzelpersonen hätten sicher noch umbuchen können, aber mit einem Gruppenflug war das nicht möglich! Wir gaben uns alle Mühe, nicht in Trübsal zu verfallen und vertrieben uns die Zeit im Fitnessraum, Schwimmbad, Sauna und beim Laser Tag. Perfektes Teambuilding!
Am Abend des 01.11. ging dann für uns die Reisen weiter nach Sao Paulo. Von dort war kein Direktflug für uns nach Mendoza mehr möglich und so wurden wir in drei Gruppen geteilt, die erste Gruppe blieb bis Freitag in Sao Paulo, die zweite Gruppe flog über Lima/Peru und meine Gruppe nahm den Umweg über Santiago/Chile mit 22 Stunden weiterem Aufenthalt, bis es nach Mendoza und dann mit den Mietwagen nach San Juan weiterging. Nach einer gefühlt endlosen Reise war ich nur noch froh, überhaupt noch am Ziel angekommen zu sein. Von perfekter Vorbereitung war nun nicht mehr zu reden.
Schadensbegrenzung war unser Motto. Es galt nun so viele Prüfungen und so schnell wie möglich abzulaufen, das Paddock herzurichten, die Motorräder und die Ausrüstung aus der Kiste zu holen und fahrbereit zu bekommen, und dass alles im Eiltempo! Schnell noch zur Eröffnungs-Zeremonie, auf den Test-Track und zur Maschinenabnahme. Dann kurz einmal durchatmen und dann ab an den Start.
HITZEREKORD – 6Days TAG 1
Im Handumdrehen standen wir also am 04.11.23 um 08:07 Uhr auf der Startrampe und los ging es. Die drei Prüfungen des ersten Tages hatten wir im Schnelldurchlauf abgelaufen, aber immerhin wussten wir so ungefähr, wo es langging. So hatte ich mir Argentinien vorgestellt, Sand, Steine, Geröll und überall Staub. Auch mit Temperaturen um die 30Grad hatte ich gerechnet. Diese hatten wir am ersten Fahrtag dann auch schon um 10:00 Uhr erreicht. Doch unerbittlich stieg das Thermometer weiter und weiter. Als es dann fast 50 Grad erreicht hatte, wollte keiner mehr drauf schauen. An dem Wasser aus dem Trinkrucksack verbrühte man sich die Zunge und der Fahrtwind glich einem Heißluftföhn. Die 7,5 Stunden Fahrzeit auf den zwei 130 km langen Runden durch unwegsames Gelände waren wirklich grenzwertig. Die Strecke forderte, selbst auf der Etappe jederzeit höchste Konzentration. 94 Fahrer waren bereits am ersten Tag ausgefallen, und wir waren einfach nur froh als Team durchgekommen zu sein.
UNFASSBAR – 6Days TAG 2
Nach der Rekordhitze des ersten Tages war der Veranstalter dann gnädig und verkürzte die Strecke auf 6 Stunden Fahrzeit und verlegte die Etappe für ein paar Meter auf die Straße. Die 36 Grad waren dann auch eine willkommene Abkühlung und der zweite Tag lief richtig gut. Auch hier hatte unser Junior Team mit Maxi und Flo wieder gut abgeliefert und wir hatten uns von P8 schon auf P7 vorgekämpft. Wir hatten also ein richtig gutes Gefühl, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als uns die schreckliche Nachricht erreichte, dass unser holländischer Teamkollege Albert auf der Etappe verstorben war. So eine bittere Nachricht, mitten im Wettkampfmodus, geht schon ziemlich an die Substanz.
GESCHICKT – 6Days TAG 3
Nach der Schweigeminute für Albert auf der Startrampe, hieß es nun den Kopf wieder freizubekommen und sich voll auf Tag drei zu konzentrieren. Die Prüfungen hatten wir nicht alle gesehen und so hieß es mit Köpfchen zu fahren. Das gelang mir ganz gut, doch im Laufe des Tages ergab sich ein neues Problem, Öl an meiner Gabel. Mit Hoffen und Bangen sollte diese bis zum Ende des Renntages durchhalten und der Plan war diese nach dem Reifenwechsel auszubauen und am nächsten Morgen wieder frisch vom Service (der Baron machte es möglich) im Restart wieder einzubauen. Für das Parkferme hatte mir Matthias Lehmann, der leider an Tag 2 ausgefallen war, seine Gabel ausgeborgt. An dieser Stelle nochmals vielen Dank dafür.
UNTER SCHMERZEN – 6Days TAG 4
Der Plan ging auf und Tag vier sollte mit frischer Gabel perfekt starten. Von der Kraft und Fitness her war ich auch an Tag vier noch richtig gut drauf. Doch nach Flo`s Daumen und Maxis Handverletzung an Tag drei, war ich nun an der Reihe und habe mir, warum auch immer, in der ersten Runde extrem meinen Fuß geprellt und hatte den ganzen Tag über mit krassen Schmerzen zu kämpfen. Schön dick war der Fuß geworden, doch nach Franks Meinung wahrscheinlich nicht gebrochen. An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an Frank, unseren Physiotherapeuten, der uns alle jeden Tag wiederhergestellt und vor dem Rennen immer gut mit Tapes und Bandagen präpariert hat.
DURCHGEBISSEN – 6Days Tag 5
„Einer für alle, alle für einen“, so das Motto der Junior Trophy. Für mich war klar, wenn ich irgendwie in meinen Stiefel komme, lasse ich meine Jungs nicht im Stich: Obwohl ich nicht einmal auftreten konnte, rollte ich auch an Tag 5 von der Startrampe. Erschwerend kam hinzu, dass wir von diesem Tag nur Teile der Prüfung auf Video gesehen haben und das war gar nicht so ohne, denn tatsächlich gab es an Tag 5 Wasserlöcher und Schlamm, mitten im staubtrockenen Argentinien. Naja, irgendwie haben wir alle es geschafft ohne Schaden durchzukommen, anders als unsere italienischen Mitstreiter, die ihr Bike völlig versenkt hatten und somit am vorletzten Tag im Kampf ums Podium ausgefallen waren. Unsere tschechischen Kollegen, die bis dahin auf Augenhöhe und noch in Reichweite auf P5 vor uns lagen, waren nun leider davongezogen. Sie hatten dann doch ein paar Tage mehr Zeit zum Streckenstudium und das zahlte sich an Tag 5 leider für sie aus.
RISKANT – Abschluss Cross TAG 6
„Beim Abschlusscross müsst ihr nur noch ins Ziel kommen“, hatte man uns gesagt. Die Betonung liegt auf „nur noch“, denn am sechsten Tag ging es noch mal richtig heiß zur Sache. Wie die wilden stürzten sich die Fahrer in die letzten 10 Runden und gaben dabei alles. Gewinnen konnte man nicht mehr viel, verlieren aber kann man ganz schnell alles. So hätte sich das schwedische Junior Trophy Team, dass die ganze Woche über souverän geführt hat, fast noch gänzlich aus dem Rennen geschossen, hätte die Jury nicht noch gnädig entschieden. Wir jedenfalls wollten unseren sechsten Platz auf jeden Fall noch sicher nach Hause bringen. Denn dieser war, um uns mal selbst zu loben, selbst ohne die vielen unglücklichen Umstände, ein richtig starkes Ergebnis und eine echte Teamleistung. Ich jedenfalls bin richtig stolz auf Maxi, Florian und auch auf mich. Zusammen mit dem ganzen Team Germany haben wir die ISDE 2023 gerockt. Irgendwie hatten uns die misslichen Umstände wohl richtig eng zusammengeschweißt und so haben wir diese wohl besonders extremen Six Days alle gemeinsam ins Ziel gebracht.
Nicht nur ich, auch mein Motorrad, die BvZ KTM 125 XC-R hat seine ersten Six Days richtig gut überstanden und mich verlässlich und konkurrenzfähig ins Ziel gebracht. Nun galt es in Windeseile wieder alles in die Kisten zu verpacken und im Container zu verstauen, denn schon am nächsten Morgen sollte es wieder auf den Heimweg gehen und dort gab es auf jeden Fall viel zu berichten.
FAZIT
Im Vorfeld hatte ich viele Tipps und Tricks und wirklich viel Unterstützung mit auf den Weg bekommen. Ich danke allen, die mir meinen Traum ermöglicht haben und die während der Six Days an meiner Seite waren. Vor allem natürlich meinen Eltern, die ihren ganzen Jahresurlaub für mich geopfert haben. Ich danke Bert und David, die mir eine nagelneue 125er KTM mit coolem Design als Six Days Edition und für jeden Tag frische Bridgestone Reifen organisiert haben, mit denen ich sicher durch die kompletten 6 Tage gekommen bin. Ich danke dem DMSB mit dem Motorsport Team Germany, der Stiftung Sport und dem ADAC Berlin-Brandenburg, sowie allen meinen treuen Sponsoren, für das Vertrauen in mich und ihre unermüdliche Unterstützung. Ich danke dem Verein für Endurosport, für den wahnsinnigen Aufwand an Organisation, ohne den so eine Veranstaltung am anderen Ende der Welt gar nicht umsetzbar wäre und natürlich auch allen, die mir fleißig die Daumen gedrückt und mit mir mitgefiebert haben. Ach ja, und ein riesiges Dankeschön an Basti Wolter und Weberwerke, die mein Abenteuer wirklich auf den Punkt in einem coolen Video zusammengefasst und supported haben.
AUSBLICK
Nach so einem krassen Erlebnis wieder im eiskalten Deutschland gelandet, hatte mich der Alltag schnell wieder im Griff. Schulstoff war nachzuholen, Klausuren nachzuschreiben und es standen auch gleich noch ein paar Pressetermine an, schließlich waren alle gespannt, wie ich Argentinien überstanden hatte. Gut, dass meine Saison mit den Six Days nun wirklich beendet war, denn eine kleine Pause war nötig, bevor es in die Vorbereitungsphase für das Jahr 2024 geht, wovon ich dann in meiner nächsten Kolumne berichte. Bis dahin wünsche ich allen Lesern eine besinnliche Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest.
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